Hl. Gregor Palamas Homilie zur Theophanie 1

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Worin das Mysterium der Taufe Christi dargelegt wird
Rekapitulation der Homilie des Vortags

ls ich gestern mit euch am Gottesdienst teilnahm und das Vorfest der Lichter 2 feierte,
legte ich eurer Liebenswurdigkeit das Unerlasliche dar uber die christliche Taufe, die wir
zu empfangen gewurdigt worden sind, namlich dass diese Taufe zugleich Erkenntnis
Gottes ist und Gelobnis an Gott – Glaube an die Wahrheit in Gott und Erkenntnis derselben
einerseits, Pakt und Gelobnis gottgefalliger Werke, Worte und Lebensfuhrung andrerseits,
vollzogen vermittels heiliger liturgischer Handlungen.3 Doch auch dies fugten wir zur Belehrung
bei, dass jene heiligen liturgischen Handlungen sowie die durch dieselben und zusammen mit
denselben vermittels des Worts abgelegten Gelobnisse, wenn wir letztere nicht in die Tat
umsetzen, dem Menschen nicht nur nichts nutzen, sondern ihn zu Recht der Verurteilung
unterwerfen.
A
Sodann haben wir die Lehre des Propheten, Vorlaufers und Taufers Johannes an die Volksmengen
dargelegt, die sich ebenfalls mit dieser Taufe befast. Wie wir sagten, ist die Taufe
Erkenntnis Gottes, und der Vorlaufer und Taufer unseres Herrn, Gottes und Erlosers Jesus
Christus fuhrt uns durch seine Lehre zu dieser Seiner Erkenntnis, indem er Ihn aufzeigt als vor
aller Zeit Seienden, Gebieter aller Dinge, Richter uber Lebende und Tote, Der die Macht hat, die
1 Dies ist die 60. der insgesamt 63 erhaltenen Homilien des hl. Gregor Palamas (1296-1359), die er als Erzbischof von
Thessaloniki nach 1350 hielt. Griech. Originaltext unter dem Titel Ὁμιλία Ξ’ Ρηθείσα ἐν τᾗ Ἁγία ἑορτή τῶν Φώτων
(“Homilie 60, gehalten am Heiligen Fest der Lichter”) in: EPE GregPal Bd. 11, S. 506ff. Engl. in: St. Gregory
Palamas, The Homilies, Mt. Thabor Publications, Waymart PA, 2009. Dt. Ubersetzung Kloster des Hl. Johannes des
Vorlaufers, Chania 2009.
2 Die Theophanie wird “Fest der Lichter” genannt, weil Christus durch Sein Erscheinen die ganze Welt erleuchtet:
“Licht vom Licht strahlt auf uber der Welt, Christus unser Gott, da Er Sich als Gott kundtut” (Orthros des 6. Januar,
1.
Sticheron zu den Lobespsalmen).
3 “Heilige liturgische Handlungen” ubersetzt gr. ἱερών σύμβολων, wortl. “heilige Symbole”. Der hl. Gregor benutzt
hier den griech. Begriff “symbolon” wie der hl. Dionysios Areopagita im Sinn von “Sakrament”.
1Wurdigen in die ewigen Wohnstatten zu fuhren, die Verurteilten aber in die Feuerholle zu werfen.
Und wahrend er bezeugt, dass Christus auch Herr der Engel ist, reiht er sich selbst unter die
geringsten Knechte ein.
Weil aber die Taufe nicht nur Erkenntnis Gottes ist, sondern auch Gelobnis der Umkehr
und der Hinwendung zu gottgefalligen Werken, fuhrte der Vorlaufer und Taufer nicht nur zur
Erkenntnis Christi, sondern rief auserdem auf zur Metanie und verlangte wurdige Fruchte
derselben, namlich Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, milde Gesinnung, Liebe, Wahrhaftigkeit. Und
um zu zeigen, dass das Gelobnis an Gott von keinerlei Nutzen ist, wenn es nicht gefolgt ist von
Werken, sondern den Menschen vielmehr verurteilt, erhob er zur Warnung die Axt und deutete
auf das Feuer, das nicht erlischt, und sagte: “Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird
herausgehauen und ins Feuer geworfen” (Mt 3,10).
Wir legten eurer Liebenswurdigkeit zudem die Worte dar, die der Taufer zum Herrn sagte, als
Er kam, um Sich taufen zu lassen, denn Johannes scheute sich, wich zuruck, suchte sich dem
Werk zu entziehen und bat vielmehr darum, selbst vom Herrn getauft zu werden. Ebenso die
Antwort des Herrn, mit welcher Er ihm gebot wie der Gebieter dem Knecht und ihm zugleich
wie der Freund und leibliche Verwandte das Geheimnis offenbarte, indem Er die berechtigten
Grunde fur Sein Tun aufzeigte. So kamen wir bis zu dem Punkt, wo Johannes nachgab und den
Herrn herantreten lies, um Ihn zu taufen.
Deutung des Mysteriums
der Taufe des Herrn
Es verblieb mithin jener Teil des Evangeliums, den ihr nun vernommen habt: Nachdem
Jesus untergetaucht worden war, kam Er sogleich herauf aus dem Wasser, und siehe, es offneten
sich die Himmel fur Ihn, und Johannes sah den Geist Gottes herabkommen wie eine Taube und
Sich niederlassen auf Ihm. Und eine Stimme kam aus den Himmeln und sagte: ‘Dieser ist Mein
geliebter Sohn, an Dem Ich Wohlgefallen habe’ (Mt 3,16-17).
3. Gros und erhaben, Bruder, ist das Mysterium der Taufe Christi, das mit diesen wenigen
Worten zusammengefast ist, schwer zu erschauen, schwer zu deuten und nicht minder schwer zu
begreifen. Doch da es von ausergewohnlicher Wichtigkeit ist fur unsere Rettung, wollen wir uns
Dem beugen und anvertrauen, Der uns zur Erforschung der Schriften ermuntert hat (s. Joh 5,39),
und dem Sinn dieses Mysteriums so weit nachspuren, wie es moglich ist.
Am Anfang, nachdem Gott das “Last uns den Menschen machen nach Unserem Bild und Uns
zum Ebenbild” (Gen 1,26) gesprochen und in Adam unsere Natur geformt hatte, zeigte Sich der
Lebenspendende Geist durch Seine Einblasung in den Menschen (Gen 1,27), womit Er zugleich
die Dreiheit der Hypostasen der schopferischen Gottheit offenbarte fur die anderen [vernunftbegabten] Geschopfe, die allein durch den Befehl des Logos Gottes ins Dasein gerufen und durch
das Sprechen des Vaters einfach hervorgebracht worden waren. In derselben Weise zeigte Sich
der Heilige Geist auch jetzt, da unsere Natur in Christus neu geformt wurde, durch Seine Herabkunft
aus dem Uberhimmlischen auf den im Jordan Getauften und offenbarte das fur die
vernunft-begabten Geschopfe rettende Mysterium der Allerhochsten und Allesschaffenden
Dreiheit.
4. Weshalb wird sowohl bei der Erschaffung als auch bei der Neuerschaffung des Menschen
das Mysterium der Heiligen Dreiheit offenbart? Nicht nur deshalb, weil der Mensch auf Erden
der einzige Eingeweihte in dies Mysterium und sein einziger Verehrer ist, sondern auch, weil er
allein nach Ihrem Bild geschaffen ist. Die mit Sinnen begabten, doch vernunftlosen Geschopfe
haben als Lebensprinzip einzig den Lebensatem,4 und dieser ist unfahig zum unabhangigen
Dasein und ganzlich unteilhaftig des Geistes5 und der Vernunft.6 Die zur Ganze ubersinnlichen
Wesen wiederum, die Engel und Erzengel, sind als noetische und vernunftbegabte Geschopfe
zwar mit Geist und Vernunft ausgestattet, doch nicht mit Lebensatem, da sie keinen Leib haben,
der durch denselben belebt werden konnte. So ist denn der Mensch das einzige Geschopf, das
nach dem Bild des Dreihypostatischen Wesens sowohl Geist und Vernunft als auch Lebensatem
besitzt, der den Leib belebt, denn er hat auch einen Leib, der von diesem belebt wird.
Als nun unsere Natur im Jordan neu geschaffen wurde, manifestierte Sich die Allerhochste
und Allesschaffende Dreiheit gleichsam als Archetyp des Bildes in unserer Seele. Deshalb
werden jene, die nach Christus die christliche Taufe empfangen, mit drei Untertauchungen
getauft, wahrend Johannes im Jordan nur mit einer einzigen Untertauchung taufte. Dies zeigt der
Evangelist Matthaus, indem er schreibt: Nachdem Jesus untergetaucht worden war, kam Er
sogleich herauf aus dem Wasser (Mt 3,16).
5. Und siehe, heist es, noch bevor Er aus dem Wasser herausgekommen, sondern nur aus
diesem heraufgekommen war, die Himmel offneten sich fur Ihn. Sammelt euer Denken, Bruder,
ich bitte euch, und achtet mit eurem Geist genau auf das, was die Schrift sagt, damit ihr die
Bedeutung des Mysteriums der Taufe Christi erfast. Denn Christi Untertauchen im Wasser und
Sein Verweilen unter dem Wasser zur Zeit Seiner Taufe zeigte im voraus Seinen Abstieg in den
Hades. Gleicherweise zeigte auch Sein Heraufkommen aus dem Wasser Seine kunftige
Auferstehung von den Toten.
6. Deshalb war es geziemend und folgerichtig, dass sich fur Ihn die Himmel offneten, sobald
Er heraufkam aus dem Wasser. Denn auch als Er hinabstieg in den Hades, um unsertwillen unter
der Erde weilte und dann wieder heraufkam, offnete Er fur Sich Selbst und fur uns nicht nur das
Innere der Erde und was sie umgibt, sondern den allerhochsten Himmel selbst, in den Er
daraufhin leiblich hinaufgenommen wurde und eintrat als Vorlaufer fur uns (Hebr 6,20). Denn
geradeso wie Er durch das mystische Brot und den Kelch Sein erlosendes Leiden im voraus
zeigte und dann dieses Mysterium den Glaubigen uberlieferte, damit sie es zu ihrer Rettung
vollziehen (Mt 26,26ff, Lk 22,17ff), so auch zeigte Er bei Seiner Taufe auf mystische Weise
Seinen kunftigen Abstieg in den Hades und Aufstieg in den Himmel und uberlieferte dieses
Mysterium den Glaubigen, damit sie es vollziehen zu ihrer Rettung. Sich Selbst behielt Er das
Leidvolle und Schwere vor, uns aber schenkte Er von Anfang an die Teilhabe an Seinen Leiden
durch diese leidlosen Mittel und machte uns, nach den Worten des Apostels, teilhaftig Seines
Todes durch dessen Abbild (Rom 6,5), damit wir dereinst auch der verheisenen Auferstehung
wurdig werden mochten.
7. Nachdem Er mithin von uns zu unserem Heil eine Seele und einen Leib, wie wir sie haben,
angenommen hatte, ertrug Er mit diesem Leib um unsertwillen die Leiden, den Tod und das
Begrabnis und erzeigte die Auferstehung aus dem Grab als Auferstehung zur Unsterblichkeit
auch dieses Leibes. Und Er uberlieferte uns, zum Gedenken an diese Dinge das unblutige Opfer
zu vollziehen, damit wir aus demselben das Heil gewinnen mochten. Mit der Seele aber stieg Er
hinab in den Hades und kam wieder herauf, indem Er alle zu Teilhabern ewigen Lichts und
Lebens machte. Und zum Zeichen hiefur uberlieferte Er uns, die Gottliche Taufe zu vollziehen,
damit wir durch dieselbe das Heil gewinnen mochten. Deutlicher gesagt, Er uberlieferte uns
beides, damit durch jedes dieser beiden Mysterien sowohl die Seele als auch der Leib geheiligt
werden und die Samen des unverganglichen Lebens empfangen mochten. Denn an diesen beiden
4 Gr. πνεύμα ζωτικόν.
5 Gr. νοῦς.
6 Gr. λόγος.
Mysterien7 hangt unsere Rettung, ist doch in diesen beiden das ganze Heilswerk der
Menschwerdung Gottes zusammengefast.
8. Es offneten sich die Himmel fur Ihn (Mt 3,16). Die Schrift sagt nicht: “der Himmel”,
sondern die Himmel offneten sich fur Ihn,8 das heist alle, die oberen Bereiche insgesamt, damit du
nicht etwa meinst, wenn du das Obere betrachtest, das uber uns Liegende, dass es etwas gabe, das
hoher ware als der jetzt Getaufte und uber Ihm lage, sondern vielmehr begreifst und erkennst,
dass es eine einzige Natur und Herrschaft gibt, Die ringsum von der Unendlichkeit uber den
Himmeln bis zu den mittleren Bereichen des Alls und hinab zu unseren eigenen letzten Grenzen
reicht, das heist: Die alles erfullt und nichts auserhalb last von Sich Selbst, sondern alles enthalt
und zusammenhalt zum Heil und zugleich uber allem ist, auf unaussprechliche Weise erkannt in
Drei Personen, Die eins sind.
Es offneten sich die Himmel fur Ihn (Mt 3,16), damit mit aller Deutlichkeit gezeigt werde, dass
Er Derjenige ist, Der ist, bevor die Himmel waren, besser gesagt: bevor irgendetwas war von
dem, was geworden ist, Der bei Gott ist und Logos Gottes ist (s. Joh 1,1) und Sohn, nicht junger
als der Vater, Der zusammen mit dem Vater den Namen hat, der uber allen Namen ist (Phil 2,9)
und uber allem Sagen. Denn als alles Phanomenale, das Irdische und das Uberirdische, das
zwischen Ihm und dem himmlischen Vater war, aufbrach und wegruckte nach beiden Seiten, da
erzeigte Er als Einziger Sich als vereint mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist, so wie Er
auch vor der Erschaffung aller Dinge vereint war mit Ihnen.
9. Es offneten sich die Himmel fur Ihn (Mt 3,16). Markus aber sagt, dass sie zerrissen.9 Denn
bei ihm heist es: Als Er heraufkam aus dem Wasser, sah er die Himmel zerrissen (Mk 1,10). Wie
kommt es, dass der eine sagt: “sie offneten sich”, der andere aber: “sie zerrissen”? Damit den mit
Verstand Zuhorenden nicht entgehe, dass das Mysteriums eine zweifache Dimension hat. Denn
durch das “sie offneten sich” wird gezeigt, dass die Himmel zuvor verschlossen waren, unserer
Sunde und unseres Ungehorsams gegen Gott wegen. Als Adam Gottes Gebot ubertrat und von
Ihm die Worte vernahm: Erde bist du, und in die Erde wirst du zuruckkehren (Gen 3,19), wurde
der Himmel verschlossen. Zu Recht deshalb wurden die Himmel fur Christus geoffnet, Der Sich
in allem als gehorsam erwies und, wie Er zu Johannes sagte, mit der Taufe alle Gerechtigkeit
erfullte (Mt 3,15).
10. Andrerseits, wie der Vorlaufer des Herrn sagt, “gibt Gott den Heiligen Geist nicht mit
Mas, sondern der Vater liebt den Sohn und gibt alles in Seine Hand” (Joh 3,34-35), was zeigt,
dass Christus in Seinem Fleisch die ganze unermesliche und unbegrenzte Kraft und Energie des
Heiligen Geistes empfing. Und die Himmel zeigten durch das Geschehen, dass diese ganze Kraft
und Energie des Heiligen Geistes das Fassungsvermogen aller Geschopfe sprengt. Als sie sich
nun kundtat und gleichsam wie hinabstromte in jenes Fleisch der gottlichen Person, zerrissen die
Himmel, denn sie vermochten sie nicht zu fassen. Zu Recht mithin sagte jener, der es sagte, zu
Gott: “Selbst der Himmel ist nicht rein vor Dir” (Hiob 15,15), wobei er mit “Himmel” die Engel
im Himmel meinte, die Erzengel, die vielaugigen Cherubim, die sechsflugeligen Seraphim und
alle anderen uberirdischen Wesen. Nicht einmal der Himmel also, das heist die Engel dort, sind
rein vor dem Gott der Himmel, denn obwohl sie standig gereinigt und erleuchtet werden von der
hochsten Hierarchie des Gebieters, bleiben sie zuruck hinter der absoluten Reinheit Desselben.
Nur die in der gottlichen Person Christi Gott gleich gewordene menschliche Natur besitzt jene
absolute Reinheit und ist fahig, jenen ganzen Strahlenglanz, jene ganze Herrlichkeit und Kraft
7 Anders gesagt: an diesen beiden Sakramenten. Der lateinische Begriff “Sakrament” deckt jedoch nicht die ganze
Bedeutung des griech. Begriffs “Mysterion”, weshalb in der Orthodoxie dieser letztere Begriff verwendet wird.
8 Im griech. Urtext: ἀνεωῴχθησαν αὐτῷ οἱ οὐρανοί.
9 Griech. ἐσχίσθησαν.
und Energie des Heiligen Geistes zu fassen. Deshalb wurden die Himmel nicht nur geoffnet,
sondern die Engel selbst wichen zuruck vor jener Herabkunft des Gottlichen Geistes auf Christus.
11. Nachdem Jesus untergetaucht worden war, kam Er sogleich herauf aus dem Wasser. Und
siehe, die Himmel offneten sich fur Ihn. Lukas fur seinen Teil aber sagt, dass sich der Himmel
offnete, wahrend Christus betete: Und es geschah, als Jesus getauft wurde und betete, dass der
Himmel sich offnete (Lk 3,21). Durch dieses Sein Beten wahrend der Taufe, im Untertauchen und
wieder Heraufkommen aus dem Wasser, lehrt Er mit Werken, dass nicht nur der Priester als
Vollstrecker der Mysterien beten soll, sondern dass auch derjenige, an dem sie vollstreckt
werden, dies wahrend jeder gottlichen Mysterienfeiern tun soll. Wenn der Vollstreckende
vollkommener ist in der Tugend und ein innigeres Gebet emporsendet, so kommt die Gnade
durch ihn herab auf den Empfanger des Mysteriums. Ist aber der letztere wurdiger und betet
inniger, so lehnt Gott, Der Sich stets erbarmen will – o unaussprechliche Gute! -, es nicht ab, um
seinetwillen die Gnade auch dem Vollstreckenden zu gewahren. So geschah es offenkundig auch
hier mit Johannes, der spater mit Freimut bekannte: “Aus Seiner Fulle haben wir alle empfangen”
(Joh 1,16).
12. Warum aber offnete sich der Himmel nur fur Jesus, als Er betete, und keinem anderen vor
Ihm? Was meinst du? Johannes, der schon als Ungeborener das Heilswerk der Menschwerdung
des gottlichen Logos erkannte und nicht nur im Heiligen Geist vor Freude hupfte im Mutterschos,
sondern die Gnade auch auf seine Mutter ubertrug (Lk 1,41-45), der sogleich nach seiner Geburt
die Zunge seines Vaters loste, die seinetwegen vom Engel gebunden worden war (Lk 1,19-20),
der Spros der Wuste (Lk 1,80), der Groste aller von Frauen Geborenen (Mt 11,11), der alle
Propheten aller Zeiten ubertraf – selbst dieser Johannes war nicht fahig, den Riemen des Schuhes
(Mk 1,7) Christi zu losen, was immer jener Riemen bedeuten moge. Wie dann ware ein geringerer
als er fahig gewesen, die Himmel zu offnen, genauer gesagt: das Uberhimmlische?
Damit du die Hohe der allem uberlegenen Erhabenheit des jetzt dem Fleische nach Getauften
ermessen mochtest, achte auch auf das Folgende: Jenes die Himmel offneten sich fur Ihn (Mt
3,16), zeigt uns durch die Geschehnisse, dass sich nicht einfach die Himmel offneten, sondern der
Schos des allerhochsten Vaters Selbst. Denn von dorther kam der Heilige Geist herab und ebenso
die Stimme, welche die Wahrheit der Sohnschaft bezeugte. Die Himmel selbst verkunden Ihn (Ps
18,1), indem sie gleichsam kosmische Munder offnen, um nicht nur den Engeln, sondern auch
allen Menschen auf Erden klarzumachen, dass der Sohn Gottes dem himmlischen Vater und dem
aus Ihm hervorgehenden Heiligen Geist gleich ist im Wesen, in der Kraft und in der Herrschaft
uber alles.
13. Zu Recht mithin offneten sie sich nur Ihm, als Er betete. Denn auch das versiegelte Buch,
das vielleicht den uns bis dahin verschlossenen Himmel bedeutet, vermochte gemas der
Offenbarung des Johannes kein einziger von all denen im Himmel, auf Erden und unter der Erde
weder zu offnen noch zu lesen. Nur der Lowe aus dem Stamm Juda, steht geschrieben, ist
imstand, es zu offnen und zu lesen (Offb 5,5). Wer der Lowe aus dem Stamm Juda ist, hat uns der
Patriarch Jakob im voraus gelehrt, sagt er doch: “Das Junge eines Lowen ist Juda, aus diesem
Stamm erhobst du dich, mein Sohn, du legtest dich nieder und schliefst ein, wie der Lowe und
das Junge des Lowen. Wer wird ihn wecken? Es wird nicht fehlen an einem Herrscher in Juda,
an einem Fuhrer aus seinen Lenden, bis Derjenige kommt, dem es bestimmt ist, und dieser ist die
Hoffnung der Volker” (Gen 49,9-10), das heist Jener, Der jetzt offenkundig auch alles
Uberhimmlische geoffnet hat, Der als Einziger die Worte der gottlichen Vorsehung von Ewigkeit
her bis in alle Ewigkeit zu lesen vermag, die im Schos des Vaters verborgenen Schatze der
Weisheit, die unergrundlichen Tiefen und Geheimnisse des Heiligen Geistes.
14. Nachdem Jesus untergetaucht worden war, kam Er sogleich herauf aus dem Wasser, und
siehe, es offneten sich die Himmel fur Ihn (Mt 3,16). Seht ihr, dass die Heilige Taufe das Tor ist
zum Himmel, das die Getauften dort hinein fuhrt? Denn die Schrift sagt nicht einfach sie offneten
sich, sondern: es offneten sich die Himmel fur Ihn. Alles was Ihm geschehen ist, ist fur uns
geschehen. Fur uns mithin offneten sich die Himmel durch Ihn. Und sie halten die Tore offen im
Warten auf unseren Einzug. Dies bezeugt allen anderen voran der Erstmartyrer Stephanos. Denn
als er niederkniete und betete, sah er, was keiner gesehen hatte vor der Taufe Christi. Er richtete
seinen Blick in die Hohe und sah die Himmel offen und Jesus in der Herrlichkeit des Vaters (s.
Apg 7,55-56). Er sah nicht nur unaussprechliche Herrlichkeit und den Ort uber den Himmeln,
sondern den gottlichen Geliebten Selbst in der Herrlichkeit des Vaters. Kraft dieser Herrlichkeit
schaute Stephanos in Seligkeit als erster von allen nach Christus, was keiner vor Christus schaute
und wohin selbst die Engelscharen zu schauen sich scheuen (s. 1 Petr 1,12). Jesus der Geliebte
Selbst namlich zog ihn zu Sich, denn Er wunschte, dass Stephanos der erste Diakon im Himmel
sei, bei weitem bevorzugt vor allen dienenden Geistern, war er doch der erste Blutzeuge. Fur uns
mithin offneten sich die Himmel durch Ihn, und uns hat Er rein gemacht durch Sich, denn Er
Selbst hatte weder die Reinigung noch das Offnen notig.
15. Auch Johannes sah, damit er nachher zu den Fragenden sagen konnte: “Und ich sah und
bezeuge, dass Dieser der Messias ist, der Sohn Gottes (s. Joh 1,34). Johannes sah den Geist
Gottes herabkommen wie eine Taube und Sich niederlassen auf Ihm. Die Gestalt der Taube
bezeugt ferner die Reinheit Dessen, auf Den sie herabkam, denn dieser Vogel halt sich fern von
unsauberen und ubelriechenden Orten. Zusammen mit dem Geist legt auch die Stimme des Vaters
von oben her Zeugnis ab: “Und siehe,” was bedeutet: zusammen mit dem Erscheinen der Gestalt
der Taube, “eine Stimme aus den Himmeln sagte: ‘Dieser ist Mein geliebter Sohn, an Dem Ich
Wohlgefallen habe” (Mt 3,17). Derjenige, den Mein Geist jetzt zeigt, indem Er herabkommt auf
Ihn und auf Ihm bleibt, Der ist Mein gleichewiger Sohn.
Der Vater benutzt Seinen eigenen, gleichewigen, wesenseinen und uberhimmlischen Geist wie
einen Finger, um durch diesen Fingerzeig und gleichzeitig durch die Stimme aus der Hohe allen
offen zu zeigen und zu proklamieren, dass der jetzt im Jordan von Johannes Getaufte Sein eigener
geliebter Sohn ist, und damit Sein Einssein mit Ihm deutlich zu machen.
Offenbarung der Heiligen Dreiheit
16. Der Heilige Geist erschien nicht nur gleichsam wie ein Finger des Vaters, um zu zeigen,
sondern Er kam hinab bis zu Dem, auf Den Er zeigte, und ruhrte Ihn gleichsam an. Und nicht nur
das, Er blieb auch auf Ihm. Denn Johannes bezeugte: “Ich sah den Heiligen Geist wie eine Taube
herabkommen aus dem Himmel, und Er blieb auf Ihm (Joh 1,32), und nicht nur auf Ihm, sondern
auch in Ihm, wie abermals Johannes selbst bezeugt, da er sagt: Aus Seiner Fulle haben wir alle
empfangen (Joh 1,16). Doch schon vor Seiner sichtbaren Herabkunft war Er unsichtbar in Ihm,
was auch die korperlosen und himmlischen Engel bezeugen. Denn der eine sagt bei der
Verkundigung der jungfraulichen Empfangnis zu Maria: “Der Heilige Geist wird uber dich
kommen,” (Lk 1,35), und der andere sagt zu Joseph: “Das in ihr Empfangene stammt aus dem
Heiligen Geist” (Mt 1,20).
Dies aber wird uns nicht als blose Verbindung verkundet, sondern als ein ubernaturliches,
standiges und vollkommenes gegenseitiges Innewohnen ohne Vermischung. So erzeigt Sich uns
hier ein einziger Gott, eine einzige, allmachtige Gottheit in Drei Hypostasen,10 Der Sich uns, zu
der Zeit und in der Weise, die Ihm wohlgefiel, durch Sich Selbst offenbart hat als uber-
10 Das heist: in Drei Gottlichen Personen.
himmlischer Vater, wesenseiner Sohn und aus dem Vater hervorgehender und im Sohn ruhender
Heiliger Geist, ohne Vermischung in ihrer Einheit, ohne Trennung in ihrer Unterschiedenheit.
Zwei sind es, die hier Zeugnis ablegen, einer ist der Bezeugte. Sie legen Zeugnis ab einerseits
von ihrer eigenen Gottlichkeit und andrerseits von ihrer Wesenseinheit untereinander und ihrer
Unterschiedenheit. Sie bezeugen ihre Gottlichkeit aus ihrer alles uberragenden Herrschaft, kraft
welcher alle Himmel zusammen aufgerissen wurden, ihre Wesenseinheit durch die vollkommene
und standige Einheit und Eintracht, ihre Unterschiedenheit aber durch die Verschiedenheit der
Namen der Drei Hypostasen und Deren Beziehung untereinander.
17. Weil unsere menschliche Natur, die der Sohn Gottes annahm, untrennbar mit Ihm
verbunden ist, wird auch sie erhoben zu jener Wurde, sodass selbst nach Seiner Menschwerdung
die angebeteten und erleuchtenden Hypostasen Drei bleiben. An Sie glauben wir und werden in
Deren Namen getauft, indem wir durch die Gottliche Taufe den alten Menschen ablegen und
Christus anziehen, den neuen Adam. Er machte unsere sundige Natur in Sich Selbst neu, indem
Er dieselbe Seinem Wohlgefallen gemas aus jungfraulichem Blut empfing und sie rechtfertigte
durch Sich Selbst. Danach befreite Er alle, die im Heiligen Geist aus Ihm geboren sind, vom
Fluch und der Verurteilung der Ureltern.
18. Was nun? Da der Einziggeborene Sohn Gottes von uns nicht die Hypostase, sondern die
Natur annahm, diese neu schuf und sie Seiner eigenen Hypostase aneinte, wird Seine Gnade nicht
auch auf eine jede einzelne unserer Hypostasen ubertragen, und empfangen wir von Ihm nicht
Vergebung unserer Sunden? Wie konnte es anders sein, da Er doch will, dass alle vollkommen
gerettet werden (s. 1 Tim 2,4), da Er die Himmel beugte und herabkam (Ps 17,10) fur alle und da
Er, nachdem Er uns mit Seinen Werken, Worten und Leiden den ganzen Weg der Rettung gezeigt
hat, hinaufgestiegen ist in die Himmel, um von dorther jene zu Sich zu ziehen, die sich
uberzeugen lassen?
Er hat die Natur, die Er um unsertwillen von uns annahm, erneuert, geheiligt, gerecht gemacht
und in allem als dem Vater gehorsam erwiesen, durch alles, was Er, in Seiner Hypostase mit ihr
vereint, durch Sich Selbst gewirkt und gelitten hat. Ein jeder von uns, die wir an Ihn glauben, ist
jedoch von Ihm nicht nur in seiner Natur erneuert worden, sondern auch in seiner eigenen
Hypostase, hat Er uns doch die Vergebung unserer Sunden geschenkt durch die Gottliche Taufe,
durch unser Halten der Gebote, durch die Metanie, die Er gewahrt hat fur jene, die gesturzt sind,
sowie durch die Teilhabe an Seinem Leib und Blut.
19. Indem der Vater aus der Hohe uber den dem Fleische nach Getauften sagte: “Dieser ist
Mein geliebter Sohn, an Dem Ich Wohlgefallen habe (Mt 3,17), zeigte Er, dass alles fruhere, das
durch die Propheten verkundet worden war, die Gesetzgebungen, die Verheisungen, die
Bundnisse, unvollkommen war, dass weder jene Verkundigung noch jener Vollzug Gottes
lenkenden Willen erfullte, sondern auf das jetzige Ende zielte, und dass durch das jetzt
Vollzogene auch jene Dinge zur Vollendung gebracht worden sind. Und was rede ich von den
Gesetzgebungen der Propheten, von den Verheisungen und Bundnissen? Die Grundlegung der
Welt selbst erfolgte von Anfang an im Hinblick auf Ihn, auf den hienieden als Menschensohn
Getauften und aus der Hohe als einzigen geliebten Sohn Bezeugten, um Dessentwillen und durch
Den alles ist, wie der Apostel sagt (s. Rom 11,36).
20. Mithin erfolgte auch die Erschaffung des Menschen von Anfang an um Seinetwillen, und
dieser wurde nach dem Bilde Gottes erschaffen, damit er fahig sei, dereinst den Archteyp zu
enthalten. Auch das Gesetz, das im Paradies von Gott gegeben wurde, wurde im Hinblick auf Ihn
gegeben, denn Jener, Der es gab, gab es nicht, damit es immerdar unerfullt bleibe. Beinahe alles,
was Gott in der Folge sprach und vollzog, wurde ebenfalls gesprochen und vollzogen im Hinblick

auf Ihn.11 Zu Recht konnte einer sogar sagen, dass auch alles Uberirdische, die Engelwesen mit
ihren verschiedenen Rangen, die dort festgelegten Ordnungen, von Anfang an auf jenes Ende
zielte, ich meine das Heilswerk des Gottmenschen, dem die Engel von Anfang an dienten.
Das Wohlgefallen (Mt 3,17) ist der lenkende und gute und vollkommene Wille Gottes. Der
Sohn ist der Einzige, an Dem der Vater zur Ganze Wohlgefallen hat, auf Dem Er zur Ganze ruht,
Der Ihm vollkommen zu Gefallen ist, der wunderbare Ratgeber, der Engel Seines Grossen Rats
(Is 9,6), Der hort, was Sein Vater sagt, und spricht, was Er von Ihm hort, und Der denen, die Ihm
gehorchen, das ewige Leben gewahrt.
21. Mochten wir alle dasselbe erlangen in Ihm, dem Konig der Aonen, Christus, Dem alle
Verherrlichung, Ehre und Anbetung gebuhrt, zusammen mit Seinem Anfanglosen Vater und dem
Allheiligen und Guten und Lebenspendenden Geist, jetzt und immerdar und in die Ewen der
Ewen. Amen.