Markaris: „Griechen haben schlecht gewirtschaftet“

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Literatur, 05.07.2011, Britta Heidemann

Petros Markaris porträtiert im aktuellen Krimi „Faule Kredite“ ein Land in Angst und Wut. Im Gespräch erklärt er Griechenlands Wut auf die Deutschen – und warum die Generation der Älteren die Armut nicht fürchtet.

Polizeikommissar Kostas Charitos hat sich einen neuen Wagen gekauft, denn seine Tochter feiert Hochzeit: ein rauschendes Fest für Freunde und Kollegen. Dies aber ist schon das Meiste, was in Petros Markaris’ neuem Roman fürs griechische Bruttosozialprodukt zu verbuchen wäre. Denn Gehaltskürzungen und Renteneinbußen drohen. Die Menschen sparen – und bleiben, wenn sie nicht grad demonstrieren gehen, bescheiden daheim. Kostas Ehefrau Adriani nimmt es gelassen: „Früher waren die Wände feucht und schimmelig. Da war es wirklich schlimm, wenn man zu Hause sitzen musste. Und was die Hitze betrifft, haben jetzt alle Klimaanlagen.“

Griechenland in Zeiten der Krise: Selten war ein Krimi so brennend aktuell wie „Faule Kredite“. Der Plot: führende Banker werden enthauptet aufgefunden, die Spur führt zu Sündern und Opfern des unsportlichen Dopings. Die Morde entspringen der Wut über das gleichsam unsportliche Bankgeschäft: „Was waren denn die Kreditkarten, die einem ungefragt nach Hause geschickt wurden, anderes als Finanzdoping?“

Interessanter aber noch als die solide Krimihandlung sind die Skizzen eines Landes, dessen Volksseele kocht. Die Deutschen, die Banken, die Regierung sollen Schuld sein, dass es „mit Vollgas zurück in die Steinzeit der griechischen Selbstversorgerwirtschaft“ geht. Doch räumt Ich-Erzähler Charitos ein: „Ob Krise oder nicht, die Griechen . . . leben stets von Vorschüssen und Vorauszahlungen.“

Was sich mit der Meinung des Autors deckt. Man kann sich gut vorstellen, wie Markaris am Telefon seiner Athener Wohnung die Hände in die Höhe wirft, wenn er (auf Deutsch) über die Krise spricht. „Die Griechen haben schlecht gewirtschaftet. Wir hatten keine Blasen im Bau- oder Bankwesen, wir haben einfach zu viel ausgegeben, zu wenig investiert, auf Pump gelebt.“ Von April bis September 2010 hat Markaris am Roman geschrieben, „seither ist die Situation viel schlechter geworden.“ Nun habe sein Land eine „Atempause“ erhalten, „aber wie das ganze politische System zu reformieren ist, bleibt eine offene Frage.“
Hass auf die Deutschen

Das Land ist gespalten: Während die ältere Generation die Armut noch selbst kenne und deshalb weniger fürchte, seien die Jüngeren in Wohlstand aufgewachsen. „Deshalb sind sie empört oder enttäuscht, in jedem Fall haben sie eine riesige Angst vor der Armut“, so der 74-Jährige. Und doch sind die Generationen sich einig in ihrem Hass auf die Deutschen? „Die Griechen staunen, wieso ihre ‚Freunde’ so hart zu ihnen sind. Ich habe mich immer gewundert, wie es kommt, dass die Griechen ihre ehemaligen Besatzer sympathischer finden als ihre Befreier, die Engländern oder die Amerikaner. Aber nun haben die deutsche Boulevardblätter und einige Aussagen der Bundeskanzlerin diese Stimmung zerstört.“

Im nächsten Buch ist das Steuersystem dran“, Markaris schreibt bereits. Das Gute: „Ich brauche nicht zu recherchieren. Ich bekomme das Material geliefert, jeden Tag.“

Petros Markaris: Faule Kredite. Diogenes, 400 S., 22,90 €

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